Vor hundert Jahren schien sich die Weimarer Republik nach heftigen Krisen (Inflation, Hitlerputsch, Attentate …) gerade zu stabilisieren. In Berlin ließ man es sich beim Aschinger und im Moka Efti gut gehen und tanzte Charleston, in Blaibach bauten „Notstandsarbeiter“, auch im Zuge der amerikanischen Kredite, die Eisenbahnbrücke über den Regen; die Lufthansa wurde gegründet und Zeppeline tauchten auf über Deutschland; die NSDAP wurde nach Hitlers blutigem Staatsstreich und seinem kurzen Gefängnisaufenthalt neugegründet, Hitler hielt wieder erste Reden; der 1. FC Nürnberg wurde nach einem Sieg über FSV Frankfurt zum fünften Mal Fußballmeister; in Kötzting wurde in Beisein des Kronprinzen Rupprecht die Jahnhalle eingeweiht; Reichspräsident Friedrich Ebert starb an einer verschleppten Blinddarmentzündung und der alte Weltkriegsgeneral Paul von Hindenburg, ein ausgesprochener Anti-Demokrat, wurde an die Spitze der jungen Demokratie gewählt. Der Winter war hart und viel Eis für den Sommer konnte aus den Weihern geholt werden – und ein zu Geld gekommener Chamer Bürger versuchte, die Rundinger Burg wiederaufzubauen, was aber mehr Schäden als Nutzen nach sich zog.
Burgfreunde-Mitglied Uli Effenhauser, Geschichtslehrer am Benedikt-Stattler-Gymnasium in Bad Kötzting, zeigte all diese Facetten der Weimarer Zeit, gemischt mit Lokalkolorit, bei seinem Bildvortrag. Und in den Pausen gab es, von Andreas Kopp ausgesucht und perfekt zubereitet, Gerichte aus der Zeit: Heringshäckerle und Steckrübeneintopf, beides ein gehaltvolles und überraschend schmackhaftes Armeleuteessen, und als Nachspeise wurde „Berliner Luft“ gereicht. Für den kleinen Hunger zwischendurch standen, gewissermaßen in Popcorn-Funktion, „Schornbladln“ zur Verfügung.
Als geistige Nahrung ist den über 40 Gästen vielleicht Folgendes in Erinnerung geblieben: Eine Zeit voller Spannung und Widersprüche war diese Weimarer Republik, die erste Demokratie Deutschlands, die trotz ihres Scheiterns durchaus viele positive Aspekte mit sich brachte: das Frauenwahlrecht, den Achtstundentag, viele deutsche Nobelpreise (z. B. auch für die Juden Albert Einstein und Fritz Haber), eine Blüte in Kunst und Kultur und nicht zuletzt auch die Grundrechte. Diese nehmen wir heutzutage mitunter als zu selbstverständlich hin, aber an den schicksalshaften und brutalen Ereignissen nach der Weltwirtschaftskrise 1929, als Hitler die Republik zerschlagen und sich zum Diktator machen konnte, erkennt man, wie wertvoll sie sind: Der Wert des Einzelnen ist hoch und der Staat darf heutzutage (bei uns …) keine willkürlichen Verhaftungen vornehmen, nicht die private Kommunikation einsehen, Menschen keine körperlichen Schäden zufügen und sie nicht als Kanonenfutter in einen Angriffskrieg schicken. Diese Rechte des Einzelnen wurden über Jahrzehnte und Jahrhunderte mit Blut teuer erkauft gelten und gelten in Demokratien bis zu einem gewissen Maß auch für ihre Gegner – was es diesen paradoxerweise oft leicht macht, den Staat zu torpedieren. Die Weimarer Republik war damals jedenfalls zu wenig wehrhaft für solche Angriffe. Die Bundesrepublik ist, nach den Worten des Referenten „hoffentlich stark genug, um diese Staatsform, die sicher nicht perfekt ist, aber die beste, die wir kennen, zu verteidigen“.
In diesem Sinne war es sicher sehr lohnend, sich mit der Geschichte vor hundert Jahren auseinanderzusetzen und auch den Gaumen mit den damaligen Essgewohnheiten zu konfrontieren.
„Runding – Die Gemeinde unter dem Dohlenturm“: So lautet der Titel des neuen Heimatbuchs, das die Burgfreunde als Beitrag zur 900-Jahrfeier gestaltet haben. In 50 Beiträgen auf 144 Seiten bildet es Runding im Jubiläumsjahr 2018 ab. Seit 11. November liegt das reich bebilderte Buch druckfrisch in der Gemeindekanzlei auf. Auswärtige können es auch über den Buchhandel beziehen. Mit drei hochkarätigen Orgelkonzerten und zwei unvergesslichen Abenden auf der illuminierten Burg (Chorkonzert mit Lehra & Mehra, Kabarett mit Helmut A. Binser) hatten die Burgfreunde bereits das Programm im Jubiläumsjahr bereichert. Darüber hinaus hatte der Lehrer und Autor Ulrich Effenhauser (2. Vorsitzender des Vereins) den Festvortrag zu den offiziellen Feierlichkeiten übernommen. Sein kurzweiliger Streifzug durch 900 Jahre Runding eröffnet auch den Reigen der bunten Beiträge im neuen Buch. Die witzigen Einlagen der Theatergruppe d‘Runtinger am Anfang und Ende des Vortrags dürfen dabei natürlich nicht fehlen.
Die Geschichte der Burg Runding wird in dem bereits 1998 von den Burgfreunden herausgegebenen Buch „Unter dem Dohlenturm“ umfassend dargestellt. In Ergänzung dazu befasst „Runding“ sich nun damit, wie sich das Dorf zu Füßen der Burgruine aus dem Schatten der einstigen Herrschaft gelöst und die heutige Gemeinde sich zu einem pulsierenden Lebens- und Wirtschaftsraum entwickelt hat. Aus Anlass des Jubiläums „900 Jahre Runding“ wirft Redakteur Franz Amberger einen geneigten Blick auf seine Heimat und die Menschen, die sie mit ihrem Engagement auf vielfältige Weise geprägt und gestaltet haben. Ergebnis seiner Recherchen ist eine umfassende Bestandsaufnahme, die auch Einblicke in Hintergründe gewährt, Einordnungen vornimmt, Zusammenhänge herstellt und darüber hinaus Perspektiven für die Zukunft aufzeigt.
Ausführlich dargestellt wird die Situation der Gemeinde Runding, die mit einer Steuerkraft von 1.005 Euro je Einwohner aktuell Platz 7 unter den 39 Landkreis-Gemeinden belegt. Und der Staatlich Anerkannte Erholungsort gehört mit seinen 80.000 Übernachtungen zu den zehn führenden Tourismusorten im Oberen Bayerischen Wald. Zwei wertvolle Einrichtungen der Daseinsvorsorge, die Wolfram-von-Eschenbach-Schule und das Kinderhaus Burgwichtl, komplettieren das Kapitel über die Gemeinde.
Als lebendige Kirchengemeinde präsentiert sich die Pfarrei Runding mit ihren Gremien und den vielen Ehrenamtlichen, die sich um Gottes Lohn für ihre Mitmenschen engagieren. Anhand von Quellen aus diversen Archiven unternimmt der Autor den Versuch einer Kurzchronik. Die Quellenlage in Runding selbst ist äußerst dürftig, weil Kirche und Pfarrhof samt Archiv nicht nur beim Dorfbrand 1849 vernichtet worden ist; bereits 1694 ist der Pfarrhof durch Blitzschlag eingeäschert worden. Um 1420 hatten die Nothaft eine erste Kirche errichtet, die 1464 ebenfalls einem Brand zum Opfer fiel; die Burgherren stemmten auch den Wiederaufbau 1469 und verhalfen damit dem damaligen Pachling, ursprünglich eine Filiale von Chammünster, zum Status einer Pfarrei.
Arbeiten, wo andere Urlaub machen: Auch dafür steht Runding mit seinen 625 Arbeitsplätzen. Die sechs größten Arbeitgeber (A-Z Formen- und Maschinenbau, Mühlbauer Maschinenbau, Walter Bauer, Bauunternehmen Mühlbauer, Rädlinger Blauberg und Rädlinger Asphalt, Zimmerei und Krankverleih Mühlbauer) werden im Kurzporträt vorgestellt, dazu die Schlossbrauerei, das mit Abstand älteste Unternehmen am Ort.
Auf dem Kultursektor hat Runding drei Einrichtungen von überörtlicher Bedeutung zu bieten: die Liederbühne Robinson, die Vleugels-Orgel und vor allem das einzigartige Freilichtmueum auf der Burgruine. Auch an Kulturschaffenden mangelt es nicht: Als Kabarettisten sind Matthias Meier (Da Meier) und Martin Schönberger (Helmut A. Binser) bayernweit unterwegs. Aber auch den Gafiker Fritz Maier, den Schriftsteller Ulrich Effenhauser und den Fotografen Stefan Engl bringt man überörtlich mit Runding in Verbindung. Zu den „Botschaftern ihrer (Wahl-)Heimat“ gehört natürlich auch der CSU-Politiker Dr. Gerhard Hopp als derzeit einziger Landtagsabgeordneter im Landkreis Cham.
Fast 50 Seiten widmet das Buch den 20 Vereinen und ihren Gemeinschaftsaktionen, dem Faschingsumzug und dem Christkindlmarkt, die alle Jahre viele Besucher anziehen. Ein bunter Bilderbogen vom Festgeschehen im Jubiläumsjahr (Jahreswechsel, Festakt, Tag der Betriebe, Bürgerfest, Streuobsttag) rundet den Inhalt ab. Alles in allem ein Heimatbuch, das die Bayerwald-Gemeinde in vielen Facetten abbildet und dabei für den Leser manche Überraschung bereithält.
Info-Anhang
Runding – Die Gemeinde unter dem Dohlenturm; Herausgeber: Gemeinde Runding; Verlag: Attenkofer Straubing; ISBN: 978-3-947029-27-3; 144 Seiten, 21,80 Euro
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